Hochschulrechtstag
Der Hochschulrechtstag ist ein Symposium, das im jährlichen Wechsel in Erlangen, Köln, Hannover und Bonn stattfindet. Die Veranstaltung verfolgt das Ziel, aktuelle Fragen des Hochschulrechts aufzugreifen, an der Hochschule zu diskutieren und Lösungskonzepte zu entwickeln. Dabei soll auch ein Forum zum Gedankenaustausch zwischen Theorie und Praxis auf den Gebieten des Hochschulrechts eröffnet werden.
Nähere Informationen erhalten Sie unter www.hochschulrechtstag.de.
Bericht zum Hochschulrechtstag 2013
Professorenbesoldung als neuer Fall für Karlsruhe?
8. Deutscher Hochschulrechtstag in Köln diskutierte Reform der W-Besoldung
von Christian Jasper[i]
Mit der W-Besoldung für Professoren hat sich am Mittwoch, 8. Mai 2013, der 8. Deutsche Hochschulrechtstag in Köln beschäftigt. Rund 80 Teilnehmer aus Wissenschaft, Hochschulverwaltungen, Ministerien und anderen Einrichtungen diskutierten über die Verfassungsmäßigkeit der Reformgesetze sowie der einschlägigen Gesetzentwürfe. Die plakative Ausgangsfrage der Tagung lautete, ob die neuen Besoldungsregelungen der nächste Fall für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seien.
Prof. Dr. Christian von Coelln begrüßte die Tagungsteilnehmer in seiner Rolle als Mitausrichter der Tagung und als Studiendekan der Kölner Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Er freute sich über das große Interesse an der hochschulrechtlichen Fragestellung und erinnerte kurz an die Geschichte des Hochschulrechtstages: Seit dem Auftakt im Jahre 2006 in Erlangen greife die Veranstaltung aktuelle Fragen des Hochschulrechts auf, um diese zu diskutieren und Lösungskonzepte zu entwickeln. Dabei solle auch ein Forum zum Gedankenaustausch zwischen Theorie und Praxis eröffnet werden, führte von Coelln aus. Nach mehreren Erweiterungen des Veranstalterkreises findet der Hochschulrechtstag mittlerweile im jährlichen Wechsel in Erlangen, Köln, Hannover und Bonn statt. Für die Durchführung in Köln zeichnen die Geschäftsführenden Direktoren des Instituts für Deutsches und Europäisches Wissenschaftsrecht der Universität zu Köln, Prof. Dr. Christian von Coelln, Prof. Dr. Bernhard Kempen und Prof. Dr. Michael Sachs, verantwortlich.
Nach der Begrüßung war der Grundstein für die fachliche Diskussion gelegt: Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 14. Februar 2012 Teile der hessischen W-Besoldung für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt.[ii] Im Ausgangsverfahren der konkreten Normenkontrolle hatte ein Professor der Besoldungsgruppe W 2 gegen das Land Hessen geklagt und die Feststellung begehrt, dass seine Alimentation den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine amtsangemessene Besoldung nicht genüge. Das Bundesverfassungsgericht stellte daraufhin die Unvereinbarkeit der einschlägigen Vorschriften mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG fest. Der Gesetzgeber habe den Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe W 2 in einer zu niedrigen Höhe festgesetzt, die dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation nicht entspreche, so das Gericht. Es gab dem Gesetzgeber auf, mit Wirkung spätestens vom 1. Januar 2013 verfassungskonforme Regelungen zu schaffen.
Der Bundesgesetzgeber sowie die Gesetzgeber von Bayern und Hessen haben darauf zwischenzeitlich reagiert und neue Besoldungsregelungen für die Professorenbesoldung beschlossen; in einigen weiteren Ländern gibt es Entwürfe für Reformgesetze. Diese Reformgesetze sehen durchweg eine Erhöhung des W 2- und W 3-Grundgehaltes vor, deren Höhe indes variiert. Nicht alimentationsrelevante Leistungszulagen werden beibehalten, teilweise aber in Anlehnung an die frühere C-Besoldung wieder durch Erfahrungsstufen ergänzt. Auch diese Neuregelungen sehen sich jedoch verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.
Mit diesen Bedenken beschäftigten sich beim 8. Deutschen Hochschulrechtstag in Köln zunächst Prof. Dr. Michael Sachs sowie Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht und Verfassungsgeschichte der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder, in ausführlichen Tagungsvorträgen.
Sachs prüfte vor allem die Verfassungsmäßigkeit der sogenannten Konsumtion, die in den Reformgesetzen vorgesehen ist. Dabei werden schon früher gewährte Leistungsbezüge auf die aktuelle Erhöhung der Grundgehaltsbezüge angerechnet. Er sprach insoweit von einem „brisanten Übergangsphänomen“, mit dem sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2012 nicht beschäftigt habe. Sachs legte dar, dass die Konsumtion die nach der bisherigen Gesetzeslage bestehenden Ansprüche in ihrem gesetzlich normierten, konkret vorhandenen Bestand beeinträchtige und daher als Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum der Berechtigten zu qualifizieren sei. Da es sich nicht um eine Enteignung handle, sei eine Rechtfertigung der Anrechnungsbestimmungen als Schrankenbestimmung zu prüfen. Erhebliche Bedenken äußerte Sachs insbesondere hinsichtlich der Zumutbarkeit der Anrechnungsregelungen, wenn nicht zugleich eine Kompensation der durch die Konsumtion bewirkten Einbußen im Rahmen der Neuvergabe sichergestellt werde. Unzulässig seien die diskutierten Anrechnungsregelungen (ohne Teilbelassung) ferner wegen ihrer (unechten) Rückwirkung, die mit dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbaren sei.
Abschließend diskutierte Sachs die Wirkungen des bundesverfassungsgerichtlichen Urteils in zeitlicher Hinsicht. Er legte dar, dass die Gesetzeskraft der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zum hessischen Besoldungsrecht Gesetze des Bundes und anderer Länder nicht erfasse, selbst wenn diese inhaltlich ganz parallel seien. Die Gesetzgeber von Ländern, in denen die W-Besoldung bislang nicht reformiert wurde, müssten daher hoffen dürfen, dass das Verfassungsgericht auch ihnen nach der Unvereinbarerklärung ihrer jeweiligen Besoldungsregelungen eine „Karenzzeit“ einräumen würde. Kämen die Gesetzgeber einem solchen Verdikt zuvor, müsse es jedenfalls genügen, die Neuregelung mit ihrer Verkündung wirksam werden zu lassen.
Wolff legte anschließend vier Möglichkeiten dar, wie der hessische Gesetzgeber das verfassungsgerichtliche Urteil hätte umsetzen können: Erstens durch eine Rückkehr zur alten C-Besoldung, zweitens durch eine Aufrechterhaltung des Zwei-Säulen-Modells der W-Besoldung mit Anhebung der Grundbesoldung, drittens durch einen Wechsel in ein alimentationsrelevantes Leistungssystem und viertens durch eine Überführung der Hochschullehrer ins Angestelltenverhältnis. Soweit die bislang beschlossenen Neuregelungen oder diesbezügliche Entwürfe Erfahrungsstufen vorsähen, liege darin keine Rückkehr zur C-Besoldung, da die Anzahl der Besoldungsstufen gering sei, die Orientierung an der A- beziehungsweise B- Besoldung mindestens eine Stufe niedriger ausfalle und schließlich das ausgereiftere Zuschlagsmodell beibehalten bleibe. Nach Wolffs Einschätzung vermitteln die Neuregelungen zwischen den Grundgedanken der bisherigen W-Besoldung und der vom Verfassungsgericht geforderten amtsangemessenen Alimentation auch derjenigen Hochschullehrer, die nicht in den Genuss von Leistungszuschlägen kommen.
Wolff verteidigte die rechtliche Zulässigkeit der (Wieder-)Einführung von Erfahrungsstufen und begrüßte sie auch rechtspolitisch. Erfahrungsstufen seien nicht systemwidrig, weil die durch sie honorierten Leistungselemente nicht mit denjenigen identisch seien, die über die speziellen Zuschläge erfasst würden. Vielmehr berücksichtigten die Erfahrungsstufen pauschaliert die Leistungssteigerungen, die Amtsinhaber durch längerfristige Wahrnehmung des gleichen Amtes in aller Regel verwirklichen, erklärte Wolff. Darin liege keine mittelbare Altersdiskriminierung, zumal die Besoldungssteigerungen nicht automatisch einträten, sondern nur, wenn keine Entscheidung darüber vorliege, dass ein Aufstieg sachlich nicht gerechtfertigt sei.
Auch Wolff hielt eine Konsumtion der vorgesehenen Erhöhung des Grundgehalts durch bisher gewährte Leistungszulagen unter bestimmten Voraussetzungen für verfassungsgemäß. Allerdings dürften Zuschläge, die in einem qualifizierten Verfahren gewährt wurden, um Leistungen anzuerkennen, jedenfalls nicht vollständig eingeebnet werden, so Wolff. Liege die Kappungsgrenze bei maximal 50 Prozent der gewährten Zulagen, sei diese Anforderung wohl noch gewahrt. Ferner sprach sich Wolff für eine verfahrensrechtliche Pflicht aus, auf Antrag alte gekürzte Zuschläge zu überprüfen und gegebenenfalls wieder zu erhöhen, um unsachliche Schlechterstellungen im Zuge der erneuten Besoldungsreform zu verhindern.
Mit Impulsreferaten vertieften Dr. Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes, und Dr. Ulrich Peters, Ministerialrat im Referat Besoldungsrecht des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums, die Thematik.
Hartmer brachte seine Kritik an der derzeitigen Reform der W-Besoldung in sieben Thesen zum Ausdruck. Generell habe die W-Besoldung dem Hochschulverband viel Arbeit beschert, weil viele Details kaum mehr zu durchschauen und rechtlich fragwürdig seien. Das Grundübel bei der Einführung der W-Besoldung sei die politisch vorgegebene Kostenneutralität gewesen, befand Hartmer. Aus Sicht der Ministerialverwaltung erklärte Peters demgegenüber, dass die Kostenneutralität in Zeiten der Haushaltskonsolidierung nicht in Frage gestellt werden könne. Er zeigte sich zuversichtlich, auch unter dieser Grundvoraussetzung ein leistungsgerechtes, verfassungsmäßiges Besoldungssystem schaffen zu können, und stellte die aktuellsten Entwicklungen der für Nordrhein-Westfalen geplanten Reform dar.
In der anschließenden Podiumsdiskussion, die unter reger Beteiligung der übrigen Tagungsteilnehmer stattfand, kamen sowohl Befürworter als auch Kritiker der neuen W-Besoldung zu Wort. Prof. Dr. Ulrich Battis, Emeritus der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, merkte an, dass das Bundesverfassungsgericht in der jüngeren Vergangenheit – zumal bei Systemumstellungen – sehr kritisch gewesen sei. Er bezweifelte vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Verbots der Altersdiskriminierung die Rechtmäßigkeit der als „Verkalkungsprämie“ verspotteten Erfahrungsstufen. Gesetzlich vorgesehene Möglichkeiten, den Erfahrungsaufstieg im Einzelfall zu verhindern, sogenannte „Opt-out-Klauseln“, seien demgegenüber eher theoretischer Natur. Sie sprächen daher nicht gegen die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters.
Demgegenüber hob Prof. Dr. Wolfgang Löwer vom Institut für Öffentliches Recht – Abteilung Wissenschaftsrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn den arbeitspsychologischen Wert einer erfahrungsabhängigen Besoldung hervor, die mit steigender Berufserfahrung zunehme. Die W-Besoldung biete kreative Gestaltungsspielräume bei der leistungsgerechten Besoldung von Professoren; sie sei kein „Teufelszeug“, erklärte Löwer insoweit mit Battis übereinstimmend. Einig waren sich beide ferner, dass allein fiskalische Zwecke nicht ausreichten, um die Grundrechtsbeeinträchtigungen zu rechtfertigen, die mit einer Anrechnung der Erhöhung des W 2- und W 3-Grundgehalts auf früher gewährte Leistungszulagen verbundenen seien. Gleichwohl könne diese Anrechnung verfassungsgemäß ausgestaltet werden, so die beiden Professoren.
Als zu niedrig und nicht konkurrenzfähig sah Löwer die Höhe der W 1-Besoldung für Juniorprofessoren an. Damit könne man den Wettbewerb um die besten Köpfe kaum gewinnen. Dringenden Handlungsbedarf sahen die Vertreter der Ministerialverwaltung diesbezüglich gleichwohl nicht. Das Amt eines Juniorprofessors sei und bleibe ein Qualifikationsamt, das auch entsprechend bezahlt werde, erklärte Prof. Dr. Joachim Goebel, Leitender Ministerialrat im Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe diesbezüglich keinen Änderungsbedarf erzeugt, zeigte sich auch Jürgen Maaß aus dem Finanzministerium Sachsen-Anhalt überzeugt.
Auf die Ausgangsfrage des Hochschulrechtstages zurückkommend vermutete Moderator von Coelln zusammenfassend, dass der Erfolg weiterer Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht maßgeblich von den Ausformungen der neuen W-Besoldung abhängen dürfte. Pauschale Bewertungen der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen seien daher nicht möglich. Es sei deutlich geworden, dass sich die Reformgesetzgeber auf dünnem Eis bewegten.
Ein ausführlicherer Tagungsbericht, auf dem dieser Beitrag beruht, ist erschienen unter dem Titel Reformgesetzgeber auf dünnem Eis. 8. Deutscher Hochschulrechtstag in Köln diskutierte reformierte W-Besoldung, WissR 46 (2013), 162 ff.; auf folgenden weiteren Bericht wird hingewiesen: Müller, „Die reformierte W-Besoldung – Der nächste Fall für Karlsruhe?“ – Bericht über den 8. Deutschen Hochschulrechtstag –, DÖV 2013, 599 ff. Ferner wurden die Tagungsreferate von Sachs (NWVBl 2013, 309 ff.) und Wolff (WissR 46 [2013], ■ ff.) in leicht überarbeiteter Form veröffentlicht.
[i] Christian Jasper ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Michael Sachs am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität zu Köln.
[ii] BVerfG, Urteil des Zweiten Senats v. 14. 2. 2012, – 2 BvL 4/10 –, BVerfGE 130, 263.