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17. Deutscher Hochschulrechtstag in Köln

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Prof. Dr. Dr. h.c. (TSU Tiflis) Christian von Coelln begrüßte alle Teilnehmer im vollbesetzten Neuen Senatssaal.
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Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands
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Prof. Dr. Max-Emanuel Geis, Leiter der Forschungsstelle für Wissenschafts- und Hochschulrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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Hanna Veiler und Professor Geis während der Fragen- und Diskussionsrunde
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Prof. Dr. Bernhard Kempen im Gespräch mit Prof. Dr. Max-Emanuel Geis
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Professor Dr. Daniel Krausnick, Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst
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Manfred Nettekoven, Kanzler der RWTH Aachen

Der 17. Deutsches Hochschulrechtstag fand am 25.06.2024 in Köln statt und befasste sich mit dem Thema „Ordnung in der Hochschule“. Anlass dieses Themas bildeten die Besetzungen, Unruhen und Proteste an Universitäten in ganz Deutschland und die Frage, wie das Hochschulordnungsrecht auf diese Herausforderung zu reagieren vermag.

Der diesjährige deutscher Hochschulrechtstag fand an der Universität zu Köln statt und wurde vom Institut für Deutsches und Europäisches Wissenschaftsrecht ausrichtet. Institutsinhaber Prof. Dr. Dr. h.c. (TSU Tiflis) Christian von Coelln begrüßte im vollbesetzten Neuen Senatssaal Interessierte des Hochschulrechts, Lehrende unterschiedlicher Universitäten sowie einige Vertreter aus der Politik. Über die große Teilnehmerzahl freuten sich die Veranstalter; schließlich war bei der Themenauswahl ein halbes Jahr zuvor noch nicht abzusehen, dass die Thematik auch an Tag des Hochschulrechtstages aktueller denn je wäre. Die Instituts- bzw. Hörsaalbesetzungen in Berlin seien dabei nur die ”Spitze des Eisbergs”; auch andernorts kam es zu Besetzungen oder wie an der Universität zu Köln zu dauerhaften Protestcamps sowie Aktionen am oder vor dem Hochschulgebäude. Die Universitäten seien, so Professor von Coelln, ein Ort, an dem ein Diskurs stattfinden könne, allerdings in Form von Rede und Gegenrede; das Aufbauen einer Drohkulisse z.B. gegenüber jüdischen Studierenden sei nicht hinzunehmen und unerträglich.

Unter dem Eindruck der aktuellen Situation an vielen deutschen Hochschulen war es den Veranstaltern ein Anliegen, nicht nur Lehrende und Repräsentanten aus der Politik als Referenten einzuladen, sondern auch die Betroffenensicht einzubinden. Dabei stehe der Vortrag von Hanna Veiler stellvertretend für viele Betroffene – nicht nur jüdischen Glaubens – an Hochschulen in ganz Deutschland. Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands, bezeichnete die Situation aus Sicht der jüdischen Studierenden als dramatisch, sprach von einem „Zustand der sozialen Isolation“. Seit dem Überfall der Hamas am 07.10.2023 hätten der Hass und die Anfeindungen, der den jüdischen Studierenden entgegengebracht werde, deutlich zugenommen. Einige Studierende trauten sich bereits nicht mehr in Präsenz an den Vorlesungen teilzunehmen, mieden den Campus ihrer Hochschule. Den Fall Lahav Shapira, der erst im Februar dieses Jahres zeigte, welche Gewalt Menschen jüdischen Glaubens mutmaßlich aufgrund ihrer Glaubensrichtung entgegengebracht werden kann, bezeichnete sie dabei als den „Bruchpunkt“, der abbilde, wie weit Menschen in ihrem Hass gehen würden. Veiler forderte Hochschulen auf, sich deutlich gegen Antisemitismus auszusprechen und den jüdischen Studierenden Sicherheit zu vermitteln.

Über die Möglichkeit der Sanktionierung bzw. des Maßnahmenkatalogs des Hochschulordnungsrechts sprach Prof. Dr. Max-Emanuel Geis, Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht und Leiter der Forschungsstelle für Wissenschafts- und Hochschulrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Den bereits beschriebenen Störungen könnte auf unterschiedlicher Art und Weise begegnet werden. Als Sanktionsebenen nannte er das Hausrecht, das Hochschulordnungsrecht sowie das Strafrecht. Letzteres bezeichnete er als „keine primäre Grundlage, um Gefahren und Störungen effektiv zu verhindern“. Es dauere schlicht zu lang, bis ein Strafverfahren abgeschlossen würde; darauf eine Exmatrikulation zu gründen und von einer Gefahr im Sinne des Strafrechts abhängig zu machen, sei ineffektiv und komme schlicht zu spät.

Aber auch das Hausrecht stoße an seine Grenzen: es sei keine „taugliche Grundlage, um Fehlverhalten außerhalb des Hochschulraums zu sanktionieren“. An den bestehenden Regelungen kritisierte Professor Geis, dass die Ordnungsmaßnahmen des Hochschulrechts im Hinblick auf die Grenzfälle (externe Personen; außerhalb des Hochschulgebäudes) nicht tauglich oder unzureichend bestimmt seien.

Im Anschluss an die Vorträge von Hanna Veiler und Professor Geis eröffnete Professor von Coelln die Fragen- und Diskussionsrunde. Einige Fragen richteten sich an Professor Geis und fokussierten sich auf die Reformierung der Exmatrikulationsvoraussetzungen. Hierzu führte Professor Geis aus, das Hochschulrecht sanktioniere nicht, sondern sei dem Gefahrenabwehrrecht zuzuordnen. Hanna Veiler erreichte unter anderem die Frage, was sie und andere jüdische Studierende sich wünschen würden, wenn sie könnten. Mit einem ironisch-witzigen, aber auch fordernden Unterton antwortete Veiler, dass sie diese „Wunschliste“ als Maßnahmenkatalog bezeichne. Inhalt dieses Maßnahmenkatalogs seien Forderungen an die Hochschulen: für die Gewährleistung von Sicherheit der jüdischen Studierenden, für die Einrichtung von Antisemitismusbeauftragen und vor allem für eine deutlichere Positionierung.

Als Referenten aus der Politik konnten Herr Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, sowie Professor Dr. Daniel Krausnick, Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, gewonnen werden. Minister Mohrs wurde per Zoom zugeschaltet und sprach zu den aktuellen Maßnahmen seines Hauses zur Reform des Hochschulordnungsrechts. Professor Dr. Daniel Krausnick schilderte die Perspektive der aktuellen Maßnahmen zur Reform des Hochschulordnungsrechts aus Sicht des Bayerischen Staatsministeriums. Für die Reformierung fokussiere Professor Krausnick zum einen die „Exmatrikulation wegen Straftaten“: die Normierung im Landesgesetz würde die „Rechtssicherheit stärken und [die] Mobilität verbessern“, müsse allerdings auch entsprechende Hürden überwinden und sei mit einer nicht unerheblichen Dauer verbunden. Zum anderen diskutierte Professor Krausnickdie „Exmatrikulation ex tunc“, in Abkehr von dem Grundfall der Exmatrikulation ex nunc. Vorbild seien andere Länder, in denen diese Maßnahme bei Täuschung, Drohung oder Bestechung zum Einsatz komme.

Als letzter Referent trat Manfred Nettekoven, Kanzler der RWTH Aachen, auf. Er plädierte für eine übergeordnete Lösung, die sich nicht im Hochschulordnungsrecht finden lasse. Die dort geregelten Maßnahmen seien nur auf den Einzelfall gerichtet, gingen allerdings an den gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen vorbei. Nettekoven machte sich für eine geordnete und offene Gesprächskultur stark; er sei überzeugt, dass nur auf diese Weise dem Antisemitismus entgegengetreten werden könne.

Zum Abschluss des Hochschulrechtstags bedankte sich Professor von Coelln bei allen Referenten und den zahlreichen klugen und gesprächsanregenden Fragen und Diskussionsbeiträgen. Er sprach zudem seinem Institutsteam sowie Frau Schneyer ausdrücklich seinen Dank für die gelungene Organisation aus. Zum Schluss zog er ein positives Resümee, stellte aber auch den aktuellen Handlungsbedarf heraus, bevor er zum geselligen Ausklang einlud und hierfür ein Glas Kölsch – oder auch wahlweise ein anderes Getränk – in Aussicht stellte.

Bericht von Wiss. Mit. Alison Evans 

Bilder (c) Wiss. Mit. Tim Esselmann

 

Tagung zum Thema „Rezensionen in der Wissenschaft: Machtmissbrauch oder Qualitätsgarantie?“

Einige kontrovers diskutierte Rezensionen haben in jüngerer Vergangenheit die Frage aufgeworfen, was Besprechungen leisten können, sollen und dürfen. Diese Frage ausführlich zu diskutieren, war Anliegen der von Prof. Dr. Christian von Coelln und Prof. Dr. Stephan Rixen veranstalteten Tagung zum Thema „Rezensionen in der Wissenschaft: Machtmissbrauch oder Qualitätsgarantie?“, die am 5.5.2023 an der Universität zu Köln stattfand. Zu den Teilnehmern dieser gut besuchten Veranstaltung zählten Professoren sowie wissenschaftliche und studentische Mitarbeiter verschiedener deutscher (insbesondere, aber nicht nur rechtswissenschaftlicher) Fakultäten sowie Journalisten.

Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz machte in seinem Vortrag deutlich, dass die Rezension selbst der Wissenschaftsfreiheit unterfällt, wenn sie dem Gebot der Wissenschaftlichkeit genügt. Von Rezensionen zu unterscheiden seien dabei kurze Besprechungen, die eher eine Werbemaßnahme für das besprochene Werk bildeten. „Befangenheit“ des Rezensenten im eigentlichen Sinne existiere nicht. Gegenstand des Vortrags und der sich anschließenden Diskussion bildeten zudem unter anderem die Fragen, ob das Verhältnis des Rezensenten zum Rezensierten in einer Fußnote offengelegt werden sollte und welchen Nutzen dies hätte, inwiefern ein Erwiderungsrecht des Rezensierten besteht, welche (Kontroll-)Pflichten die Herausgeber von Zeitschriften treffen und ob bestimmte Qualifikationsanforderungen an den Rezensenten zu stellen sind.

Anschließend widmete sich Prof. Dr. David Kaldewey aus soziologischer Perspektive der Frage, ob Rezensionen als blinder Fleck der Wissenschaftsforschung gelten müssen. Dabei ging er unter anderem auf die Bedeutung ein, die Rezensionen in verschiedenen Disziplinen zukommt oder gerade nicht zukommt. Des Weiteren stellte er das Problem dar, dass Rezensionen innerhalb des wissenschaftlichen Werks des Rezensenten eher als „second class“-Publikationen wahrgenommen würden, was zu einer geringen Bereitschaft führe, diese überhaupt und zusätzlich noch mit Sorgfalt abzufassen.

Im zweiten Teil der Veranstaltung beleuchteten Prof. Dr. Armin von Weschpfennig und Prof. Dr. Margrit Seckelmann Rezensionen unter verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten. Weschpfennig ging dabei insbesondere darauf ein, inwiefern Berufungskommissionen auch oder gar ausschließlich Rezensionen über die Werke des Bewerbers zur Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität dieser Werke heranziehen dürfen. Darüber hinaus widmete er sich der Frage, inwieweit Rezensionen einen Bestandteil des wissenschaftlichen Oeuvres des Rezensenten bilden. Seckelmann behandelte die Frage, ob Universitäten Qualitätsstandards für Rezensionen festlegen dürfen, insbesondere, um von ihr so bezeichnete „Übertötungen“ zu verhindern.

Abschließend argumentierten Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms und Prof. Dr. Julian Krüper, warum verletzende bzw. umgekehrt gerade schonende Kritik der Wissenschaft schadet, wobei diese Referate im Einzelnen sehr differenziert ausfielen. Eingegangen wurde unter anderem auf die Aspekte, dass bereits das Format der Rezension als solches den Rezensenten über den Rezensierten stelle und vor allem der Zufall darüber entscheide, ob und wer über welches Werk eine Rezension schreibt. Des Weiteren wurde der Frage nachgegangen, ob und inwieweit das rezensierte Werk vom rezensierten Autor zu trennen und inwiefern somit Sachlichkeit möglich ist.

Das ausführliche Tagungsprogramm finden Sie hier.

Text: PD Dr. Silvia Pernice-Warnke
Fotos: Institut für Staatsrecht